Jede Bewegung bewusst wahrnehmen, den Untergrund spüren und auf die Signale des Körpers achten: Das ist Achtsamkeit beim Sport.
Jede Bewegung bewusst wahrnehmen, den Untergrund spüren und auf die Signale des Körpers achten: Das ist Achtsamkeit beim Sport.

 

Das Prinzip der Achtsamkeit hat sich in den letzten Jahren zu einem wahren Trend entwickelt und soll bei zahlreichen Problemen wie Depressionen oder chronischen Schmerzen Abhilfe schaffen. Auch im Alltag kann das Praktizieren von Achtsamkeit die Lebensqualität verbessern und beispielsweise Stress reduzieren. Erstaunlich: Sogar bei aktiveren Tätigkeiten wie Sport kannst du davon profitieren, ganz im Hier und Jetzt zu sein.

 

Achtsamkeit und Sport: Ein Widerspruch?

Mit Achtsamkeit wird im Allgemeinen Ruhe und Stille verbunden: Es gibt spezielle Achtsamkeitsmeditationen, bei denen du nur sitzen und auf deinen Atem, deine Körperempfindungen sowie Gedanken und Gefühle achten musst. Doch selbst Tätigkeiten wie Essen oder Trinken werden durch das Praktizieren von Achtsamkeit zur meditativen Praxis.

Mit einer meditativen Praxis hat Sport allerdings zunächst nicht viel gemein. Vielmehr geht es hier darum, konstant seine Leistungen zu steigern und auch mal über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Vor allem im Leistungssport sind ein regelmäßiges Training und eine große Disziplin außerordentlich wichtig. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass der eine oder andere Sportler sich übernimmt und zu viel trainiert – Verletzungen sind dabei nicht ausgeschlossen. Die sportliche Betätigung steht also scheinbar in direktem Widerspruch zur Achtsamkeit, wo du auf deinen Körper achtest und wahrnimmst, dass du mit dem Training aufhören solltest.

Und dennoch kann Achtsamkeit beim Sport dabei helfen, Fehler und Verletzungen zu vermeiden, die Motivation zu steigern und sogar zu besseren Leistungen beizutragen.

 

Fehler umgehen und Verletzungen vermeiden: Beim Sport auf den eigenen Körper achten

Bei Übungen zum Aufbau der Bauchmuskulatur muss auf eine gerade Körperhaltung geachtet werden. Achtsamkeit kann dabei helfen, die Übungen richtig auszuführen.
Bei Übungen zum Aufbau der Bauchmuskulatur muss auf eine gerade Körperhaltung geachtet werden. Achtsamkeit kann dabei helfen, die Übungen richtig auszuführen.

Besonders, wer keine Zeit für Sportkurse bei einem Trainer hat und aus diesem Grund zuhause trainiert, kann dabei einige Fehler machen. Zwar sind ausführliche Fitness-Trainingspläne für Zuhause eine gute Anleitung. Doch egal, ob du Ausdauer, Kraft, Koordination oder Beweglichkeit trainieren willst, bei jeder Übung musst du auf bestimmte Punkte Acht geben – sei es, eine aufrechte Körperhaltung zu bewahren, die Übungen ordentlich auszuführen oder den Körper dabei stets anzuspannen. Genau da kann Achtsamkeit helfen. Denn Achtsamkeit bedeutet, voll und ganz im Moment zu sein. Wer gerade Sport treibt, konzentriert sich also einzig und allein darauf – auf die Tätigkeit, aber auch die wahrgenommenen Körperempfindungen und die Gedanken, die einem dabei durch den Kopf gehen.

Auf diese Weise lassen sich Fehler bei der Ausübung der Sportart umgehen, weil du stets voll auf deinen Körper achtest. Auch Verletzungen lassen sich vermeiden, weil du merkst, wenn du dich überanstrengst.

 

Sportpsychologie: Leistungsfähigkeit im Sport durch ein achtsamkeitsbasiertes Training

Nachdem das Konzept der Achtsamkeit in der klinischen Psychologie zunehmend Anwendung fand, schenkt nun auch die Sportpsychologie der Achtsamkeit zunehmende Beachtung. Phil Jackson, einer der erfolgreichsten Basketballcoaches der heutigen Zeit, sieht in der Achtsamkeit beim Sport eine echte Chance:

„When players practice what is known as mindfulness – simply paying attention to what´s actually happening – not only do they play better and win more, they also become more attuned with each other.”

Der Grund: Die Vermutung liegt nahe, dass das Praktizieren von Achtsamkeit beim Sport die Konzentration steigert, die Entstehung von Flow begünstigt und so zu einer höheren Leistungsfähigkeit im Sport beitragen kann. Und auch ein effektiver Umgang mit den eigenen Emotionen und Gedanken ist eine Grundvoraussetzung für Höchstleistungen im Sport. Die Leistungssteigerung im Sport durch Achtsamkeit kann also über drei verschiedene Ebenen erfolgen.

 

Selbstvergessen Sport treiben: Der Flow-Zustand

Beim Sport voll und ganz im Moment sein und die Zeit vergessen: Dieser Zustand wird als Flow bezeichnet.
Beim Sport voll und ganz im Moment sein und die Zeit vergessen: Dieser Zustand wird als Flow bezeichnet.

Die Sportpsychologie geht davon aus, dass das Training der Achtsamkeit die  Entstehung von Flow fördert. Flow ist ein als beglückend erlebtes Gefühl völliger Vertiefung und des Aufgehens in einer bestimmten Tätigkeit, das erstmals von dem Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi beschrieben wurde. Der Flow-Zustand gilt dabei als Zustand der optimalen Leistungsfähigkeit und hat einiges mit dem Prinzip der Achtsamkeit gemein: Schon allein die selbstvergessene Konzentration auf die betroffene Tätigkeit eint beide Konzepte.

In empirischen Studien mit Eliteschwimmern, Bogenschützen, Golfern, rudern und Läufern wurde nachgewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zur Achtsamkeit, dem Erleben von Flow und der Steigerung der Leistung besteht. Der Grund: Wer achtsam ist und sich im Flow-Zustand befindet, für den haben Dinge um ihn herum keine Bedeutung mehr. Körper und Geist sind im Einklang, Selbstzweifel verschwinden und der Sportler hat Spaß an der Tätigkeit.

 

Aufmerksamkeit steigern: Mit Konzentration zu mehr Leistungsfähigkeit im Sport

Die Achtsamkeit befasst sich mit der Regulation der Aufmerksamkeit und hilft so dabei, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Die Verbesserung der Aufmerksamkeit und Konzentration ist dabei eine wichtige Komponente zur Steigerung der sportlichen Leistung. Empirische Studien aus dem Sportbereich fehlen diesbezüglich zwar noch, doch manche Athleten haben sich bereits dazu geäußert, dass Achtsamkeitstraining ihnen dabei geholfen hat, ihre Konzentration beim Sport zu verbessern.

 

Akzeptieren, was ist: Emotionskontrolle und sportliche Leistungen

Schon lange ist der Einfluss von Emotionen auf die Leistungsfähigkeit im Sport ein Thema der sportpsychologischen Forschung. Denn nur, wer effektiv mit den eigenen Emotionen und Gedanken umgehen kann, ist zu Höchstleistungen fähig. So wirken sich negative Emotionen wie die Wettkampfangst nachweislich auf die sportliche Leistung aus, während positive Emotionen die Motivation steigern und so auch die sportlichen Fähigkeiten verbessern können.

Grundsätzlich geht es darum, negative Gefühle im betroffenen Moment zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Achtsamkeit kann jedoch auch dabei helfen, negative Gefühle wie die Wettkampfangst zu reduzieren und positive Emotionen zu stärken. Damit kommt es auch zu positiven Effekten bei der Sportleistung. Die Sportwissenschaftler der Humboldt Universität zu Berlin merkten jedoch auch an, dass es sich bei den Ergebnissen um solche aus Einzelfallstudien handelte und weitere Studien notwendig seien.

 

Vom achtsamen Atmen bis zum gefährlichen Sport: Möglichkeiten für mehr Achtsamkeit beim Sport

Übungen wie der Bodyscan oder das achtsame Atmen helfen dabei, die Achtsamkeit zu steigern.
Übungen wie der Bodyscan oder das achtsame Atmen helfen dabei, die Achtsamkeit zu steigern.

Im englischsprachigen Raum gibt es zwei achtsamkeitsbasierte Interventionsprogramme für den Leistungssport, mit denen die Achtsamkeit in der Praxis gesteigert werden soll:

  • Mindfulness-Acceptance-Commitment Approach (MAC): Hierbei werden Inhalte psychotherapeutischer Anwendungen adaptiert und integriert. Dazu gehören beispielsweise der Bodyscan und das achtsame Atmen. Erste MAC-Fallstudien haben positive Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und Leistung nachgewiesen.
  • Mindful Sports Performance Enhancement (MSPE): Hierbei werden Elemente aus klinischen Anwendungen an die Bedürfnisse des Leistungssports angepasst. Auch hier sind Inhalte wie der Body Scan, das achtsame Atmen sowie Meditation enthalten. Studien zur Wirksamkeit von MSPE haben eine Verbesserung des Flow-Erlebens, der Achtsamkeit und des Selbstvertrauens nachgewiesen.

 

Doch auch unabhängig von solchen Interventionsprogrammen kannst du schon mithilfe kleinerer Tipps deine Fähigkeit zur Achtsamkeit beim Sport steigern. Entscheidend ist dabei nicht zuletzt die ausgeübte Sportart.

  • Gefährliche Sportarten: Wer beim Sporttreiben mit einer gewissen Gefahr  konfrontiert wird, bei dem setzt der Verstand aus und die
    Bei gefährlichen Sportarten wie Bungeejumping schaltet der Verstand automatisch ab und die Achtsamkeit stellt sich ein.
    Bei gefährlichen Sportarten wie Bungeejumping schaltet der Verstand automatisch ab und die Achtsamkeit stellt sich ein.

    Achtsamkeit stellt sich automatisch ein. Sportarten wie Fallschirmspringen, Bungeejumping und Klettern eignen sich also bestens, um die Achtsamkeit beim Sport zu steigern.

  • Neue Sportarten: Sobald eine Bewegung erlernt wurde, üben wir sie automatisch aus, ohne groß darüber nachzudenken. Wird jedoch eine ganz neue Sportart ausgeübt, stellt sich die Achtsamkeit fast automatisch ein: Wir nehmen wahr, wie der Körper reagiert, wie sich die Bewegungen anfühlen und spüren den Untergrund, auf dem wir uns bewegen.
  • Sinne schulen: Beim Ausüben eines Sporttrainings kannst du versuchen, ganz bewusst deine Sinne zu schulen. So kannst du beispielsweise ganz bewusst die frische Luft riechen und beim Laufen das Abrollen des Fußes und die verschiedenen Untergründe wahrnehmen. Noch intensiver wird das wahrgenommen, wenn du zwischendurch die Schuhe ausziehst und barfuß läufst.

Die Möglichkeiten für mehr Achtsamkeit beim Sport sind also ganz vielfältig. Schon bald wirst du die Signale deines Körpers wahrnehmen und so auf lange Sicht auch deine sportliche Leistung steigern. 

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