Jeden Morgen, noch vor dem Duschen, setzt sich Erika W. auf einen bequemen Stuhl und meditiert. „Das habe ich mir vor zwei Jahren angewöhnt“, sagt die gebürtige Wienerin. „Früher hatte ich mit sowas nichts am Hut.“

Das änderte sich, als die damals 76-Jährige von ihrer Tochter einen Meditationskurs für Senioren geschenkt bekam. Bis dahin hatte sie sich immer über ihre Tochter lustig gemacht, weil diese jeden Tag nach der Arbeit Zazen praktizierte. Erst weigerte sich Erika W., den Kurs zu besuchen. Da er aber nun schon mal bezahlt war, wollte sie ihn sich zumindest einmal ansehen. Schon nach der ersten Übungsstunde war sie angenehm überrascht. „Ich fühlte mich ruhiger, irgendwie zentrierter“, sagt sie. Inzwischen möchte Erika W. auf ihrer morgendliche Meditationsübung nicht mehr verzichten. „Ich fühle mich viel gesünder und zufriedener als früher“, sagt sie.

Viele ältere Menschen lehnen Meditation mit der Begründung ab, sie seien zu alt dazu. Doch das stimmt nicht:

 

1. Das Gehirn bleibt lernfähig

Wissenschaftler haben den Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ längst widerlegt. Das Gehirn bleibt lernfähig bis ins hohe Alter. Ob es sich dabei um das Erlernen einer neuen Sprache handelt oder um Meditation, spielt keine Rolle. Das Gehirn wächst und regeneriert sich in jedem Lebensalter. Das setzt allerdings voraus, dass dieses Organ regelmäßig trainiert wird. Und dazu eignet sich die Meditation ganz besonders gut. Meditations-Forscher haben nämlich nachgewiesen, dass die graue Substanz in den verschiedenen Hirnregionen, die Nervenzellkörper, bei regelmäßig Meditierenden zunimmt. Meditation ist daher auch ein hervorragendes Mittel gegen die gefürchtete Demenz.

 

2. Viele Meditations-Techniken

Meditation ist keineswegs vom Lebensalter abhängig. Es gibt unzählige Formen und Möglichkeiten der Meditation, so dass für jeden das Richtige dabei ist. Manche Techniken – wie Yoga – sind an bestimmte Körperhaltungen gebunden. Diese können für ältere Menschen schwierig werden, vor allem, wenn sie ihr ganzes Leben nicht besonders sportlich waren. Allerdings gibt es beim Yoga für Senioren auch leichte Übungen, die für mehr Beweglichkeit sorgen. Mit Yoga tut man also nicht nur etwas für die Seele, sondern auch für den Körper.

Bei vielen anderen Meditations-Techniken – wie zum Beispiel bei der Zen-Meditation – steht jedoch die Achtsamkeit im Vordergrund. Gerade diese Meditationsformen eignen sich für Senioren ganz besonders, da sie körperlich nicht anstrengend sind.

 

3. Präsenz im Alter

Oft werden ältere Menschen unzufrieden und depressiv, weil sie nicht wissen, wie viele Lebensjahre sie noch vor sich haben. Der Aspekt Zukunft schwindet mehr und mehr aus ihrem Blickfeld. Darum holen viele ihre Erinnerungen hervor. Sie leben in ihrer Vergangenheit, was für ihre Mitmenschen manchmal ziemlich anstrengend werden kann. Doch die Vergangenheit ist unwiederbringlich vorbei, und die Zukunft gehört uns noch nicht. Die Gegenwart ist der einzige Augenblick, der uns zur Verfügung steht und den wir wirklich gestalten können. Doch genau diese Fähigkeit, in der Gegenwart zu leben, ist in unserer westlichen Kultur nicht fest verankert. Oberstes Ziel jeder Meditation ist es, dass der Mensch lernt, sich auf den gegenwärtigen Augenblick zu konzentrieren.

Jeder, der mit der Meditation beginnt, weiß, wie schwierig es ist, den ständigen Gedankenstrom anzuhalten. Da ältere Menschen jedoch nicht mehr so vielen Ablenkungen ausgesetzt sind wie junge, fällt es ihnen oft leichter, sich auf den Prozess des Nicht-Denkens einzulassen.

 

4. Weniger Schmerzen

In den letzten Jahren haben Mediziner herausgefunden, dass mit gezielter Achtsamkeits-Meditation chronische Schmerzen gelindert werden können. Viele ältere Menschen leiden unter Krankheiten, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Mithilfe bestimmter Meditationstechniken kann es gelingen, Medikamente einzuschränken und wieder mehr Freude im Leben zu empfinden. Nachweislich sorgt regelmäßige Meditation dafür, dass das Immunsystem gestärkt und der Blutdruck reguliert wird.

 

5. Spiritualität und Sinn

Mit zunehmendem Alter beschäftigen sich viele Menschen mit den vorangegangenen Lebensphasen. Alt werden bedeutet, sich mit den Brüchen im Leben zu arrangieren. Manche Ziele wurden nicht erreicht. Das eigene Scheitern und Versagen muss akzeptiert werden und das ist nicht immer einfach, vor allem dann, wenn sich auch noch Schuldgefühle aufdrängen. Meditation erleichtert das Loslassen und hilft, mit sich selbst ins Reine zu kommen. In diesem Zusammenhang stellen manche Menschen im Alter fest, dass ihr traditioneller Glaube nicht mehr trägt. Religionsübergreifende Meditationsübungen können ihnen Halt und ihrem Leben einen neuen Sinn verleihen.

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