StartDein MeditationsforumMeditation – AllgemeinInformelle – also aktive Meditation – im Alltag: Kabat Zinn und der Atem

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  • #9244
    Kaffee89
    Participant

    Kabat Zinn, preist den Atem als sehr wichtig an, was Achtsamkeit betrifft. Wenn ich gehe, spüre ich meine Füße, wie sie auftreten, was sie darunter wahrnehmen, ich kann bildlich wahrnehmen, wie meine Füße aussehen. Es ist ein tolles Gefühl in meiner Brust. Ich lerne das zu lieben, was vorher “selbstverständlich” war. Das ist es nicht. Der Bodyscan hilft mir auch enorm. Ich akzeptiere meinen Körper so wie er ist und erfahre eine unglaubliche Tiefenentspannung. Die Essmeditation ist auch fantastisch. Mein Atem und ich sind allerdings Feinde.

    Ich verstehe Kabat Zinn in seinem Buch “Achtsamkeit für Anfänger” nicht genau: Meint er, wenn er über den Atem spricht, dass man wirklich zu jedem Zeitpunkt und IMMER, bewusst atmen soll? Soll ich mich immer auf mein Atem konzentrieren, damit ich nicht abdrifte? Z.b. auch, wenn ich lese? Was ich tue, ist, dass ich mich auf meinen Atem oder auf meine Berührungen konzentriere und dann wieder im Hier und jetzt lande.

    Bei mir kommen unglaubliche Ängste hoch, wenn ich mich auf meinen Atem konzentriere. Ich würde mich über eine Antwor sehr freuen.
    Vielen Dank im Voraus.

    #9247
    InnererZeuge
    Participant

    Hallo Kaffee89,

    vielen Dank für Deinen Beitrag. Wenn Du Dich auf deinem Atem konzentrierst, kannst Du nicht gleichzeitig an andere Dinge denken. Der Geist kommt deswegen allmählich zur Ruhe. Für den Geist ist dieser Zustand jedoch ungewohnt, ja sogar beängstigend, weil ein Kontrollverlust in Aussicht steht. Deswegen „fallen“ am Anfang der Atem-Meditation immer wieder Gedanken ein, die letztendlich etwas Positives und Sicheres bewirken sollen/wollen. Oftmals richten sich diese Gedanken an die Vergangheit oder Zukunft und geben erneut Impulse zum Denken und Fühlen (Emotionen) in Form von Ängsten, Sorgen, Zweifel, etc.. Im Rahmen der Atem-Meditation richtet sich Deine Aufmerksamkeit auf den Atem der vom Körper abhängig ist. Der Körper befindet sich jedoch stets und immer im jetzt & hier.

    Auch andere Gefühle wie Wut, Trauer, Frustration, Gereiztheit, Ungeduld oder Ärger können aufkommen. Jon Kabat-Zinn beschreibt in seinem Buch „Achtsamkeit für Anfänger“ im Kapitel „Bewusstheit“ auf Seite 22ff. den 6. Sinn. Hierbei erklärt Jon Kabat-Zinn die Fähigkeit des Bewusstseins sich selbst wahrzunehmen (siehe Eigenwahrnehmung).

    Eigenwahrnehmung stößt jedoch wiederum Gedanken an und befindest Dich wieder im Teufelskreis des Denkens. Wenn Du den Zustand des Denkens dennoch überwinden willst, dann konzentriere Dich einfach weiterhin auf Deinem Atem. Das alles braucht Zeit und Übung. In einem 10 tägigem Vipassana-Retreat übst Du beispielsweise die ersten drei Tage nur die Atem-Meditation.

    Wenn Dir das “Abschalten” durch die Atemmeditation zu radikal und zu schnell geht und Dein Geist deswegen immer wieder “tilt”, dann könnte eine angemessene Annäherung hilfreich sein. Hierzu zähle ich beispielsweise die Gehmeditation (wie im ZEN), Yoga (Patanjali-Yoga, Stufe Dhãranã), etc..

    Sich immer auf den Atem zu konzentrieren, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten und das Denken dauerhaft einzustellen hätte sicherlich fatale Folgen. Ein Grundmaß an funktionalem Denken ist erforderlich um am Leben teilnehmen und überleben zu können.

    Ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr.

    LG, der Beho

    #9255
    Kaffee89
    Participant

    Guten Tag Beho,

    frohes Neues Jahr, wünsche ich Dir zu aller erst!
    Ich hole mal etwas weiter aus, dann kannst du dir ein besseres Bild davon machen. Ich hab die Borderline-Persönlichkeitsstörung und habe das DBT-Programm in einer Psychiatrie, von Marsha Linehan absolviert. Mir geht es sehr gut seit dem. Sie hat Achtsamkeit zu einem der zentralen Punkte der DBT gemacht, um die Anspannung zu regulieren. Unser Achtsamkeitsguru, hat uns immer gesagt, dass wir, wenn wir beispielsweise achtsam laufen, niemals nur unsere Füße wahrnehmen, also in der Sache versenken sollen, sondern noch ansprechbar für Andere sein sollen. Kurzum: Sei in der Gegenwart, doch sei bei dem, was du tust.

    Wenn wir essen, dann sollen wir essen. Wenn wir gehen, dann sollen wir gehen. Wenn wir lesen, dann sollen wir lesen usw.

    Wenn ich mich beispielsweise in der Stadt, wenn ich unterwegs bin, auf meinen Körper als Ganzes konzentriere, kann ich die Welt aus einer ganz objektiven Sicht sehen. Es tut unheimlich gut. Es ist wie in der Kindheit. Eine rote Werbungstafel ist dann eine rote Werbungstafel. Ich brauche mir keine Gedanken um Bewertung zu machen, ich tu es einfach nicht.

    Was ich sagen möchte, ist, dass ich, wenn ich mich auf meine Sinne genau konzentriere, nicht in der Sache versenke, sondern trotzdem noch denken muss.

    Dies als Kontext. Nun die Sache, die ich nicht genau verstanden habe: Ich bin bei der Sache, wenn ich mich auf meinen Körper, aber nicht auf meinen Atem konzentriere. Ich denke viel besser und handle situationsadäquater. Wann soll ich mich im Alltag auf meinen Atem konzentrieren? Wenn ich im Bus sitze? Damit ich nicht abdrifte? Wenn ich für mich alleine bin? Das hab ich noch nicht so ganz verstanden. Das Thema ist sehr komplex. Ich glaube, dass ich dazu noch viel mehr posten werde. Doch das reicht erstmal für den Anfang 🙂

    Ich danke dir im Voraus, BeHo.

    #9265
    InnererZeuge
    Participant

    Hallo Kaffee89,

    erstmal herzlichen Dank für Deine ausführlichen Informationen. Nun habe ich einige Zusammenhänge besser verstanden, zumindest denke ich das. Nun meine Meinung zu zwei unterschiedlichen Dingen:

    1.) Meine Meinung zu DBT und Achtsamkeitsübungen
    In der DBT kommen Achtsamkeitsübungen zum Einsatz, um Deine Balance wahren bzw. wieder herstellen zu können. Die Atmung ist eine davon und kommt zum Einsatz, wenn es notwendig ist (situationsabhängig). Durch regelmäßige Übung (ähnliche wie das Autofahren lernen) entwickelst Du beispielsweise folgende Fertigkeiten:
    – Atmung und Fokussierung auf Deine Arbeit, damit Du diese mit voller Aufmerksamkeit verrichten kannst. (Dadurch kommst Du in den Flow, wie beim Jonglieren und fühlst Dich wohl?!)
    – Atmung, um Deine Gedanken kommen und gehen zu lassen, ohne Dich in ihnen zu verstricken.
    – Atmung, um Dich neu Fokussieren zu können, falls Du bereits am Abschweifen bist.
    – Atmung um Gefühle zu zulassen, ohne dass Du diese kontrollieren musst.
    – usw.

    Du lernst also, durch Deinem Atem Deine Wahrnehmung & Gedanken so zu steuern, dass Du problematische Situationen (welche derzeit bei Dir zu unbeherrschbaren Emotionen führen) meistern kannst. Dein Therapeut kann mit Dir diese Skills ein-trainieren. Falls möglich, dann bespreche dies mit Deinem Therapeuten, weil er Fachmann ist und Dich besser kennt wie ich.

    Wenn die Regulation bei Dir mit der Körperwahrnehmung funktioniert, dann ist das okay. Das Ergebnis zählt!

    2.) Meine Meinung und Erfahrung zur Atem-Meditation
    Die Atem-Meditation führt wegen der Abstinenz von Gedanken zu einem entspannten körperlichem Zustand (psycho-somatische Einheit > keine „geistigen“ Gedanken = keine „körperlichen“ Anspannungen). Zudem führt die Atem-Meditation von der „Verstandes-Ebene“ zur „BewusstSEINS-Ebene“. Die dauerhafte Übung der Atem-Meditation führt zur Gedankenreduktion, begünstigt funktionales Denken und kann eine gelassene Haltung steigern. Die Atem-Meditation zielt im Gegensatz zu den Achtsamkeitsübungen, welche im DBT Anwendungen finden, keine weiteren Aktionen (z.B. Fokussieren) an.

    Mein persönliches Fazit:
    – Achtsamkeitsübungen (wie Atem-Übungen) können Dir ein guter Helfer in schwierigen Situationen sein.
    – Atem-Meditation kann Dich generell ausgeglichener und gelassener machen.

    Ich freue mich auf Dein Feedback.

    LG, der BeHo.

    #9269
    Kaffee89
    Participant

    Hey BeHo,

    ich bin wirklich positiv überrascht, wie du dich über die Achtsamkeitsaspekte der DBT auskennst! Das gefällt mir 🙂 , denn so verstehst du sicherlich, dass gerade Borderlinebetroffene, manchmal von Gefühlen überwältigt werden, bei denen sie zusätzlich das Gefühl bekommen, dass sie ein Gefühl töten könnte. Gut ist: Ich weiß, dass es nicht passieren kann.

    Ich werde meinen Achtsamkeitsguru nächste Woche noch einmal aufsuchen und ihm diese Frage stellen. Denn es ist mir wichtig, mich mit meiner Atmung anzufreunden, weil ich – wie du richtigerweise oben beschrieben hast – gemerkt habe, dass man dadurch viel ruhiger und gelassener wird. Es ist wahr, dass ich mich, wenn ich beispielsweise im Bus sitze, wahrnehme, was ich körperlich spüre: Mein Gesäß auf dem Sitz, meine Beine, meine Füße, meinen Rücken an der Rückenlehne. So bin ich anwesend. Mit dem Atem schaff ich es auch anwesend zu sein, es ist für mich aber schwieriger.

    Ich will mich mit der Achtsamkeit noch intensiver beschäftigen, da es für mich ein wichtiger Leitfaden im bewussteren Leben ist. Von daher will ich über die Aspekte der DBT hinausgehen und meinen Horizont erweitern.

    Ein zentraler Aspekt der Achtsamkeit in der DBT:

    – Kommt ein Gedanke: Wahrnehmen, Gedanken benennen und vorbeiziehen lassen. Wie eine Welle. Da eignet sich das bewusste Atmen in dem Moment, sehr gut.

    Nun, BeHo, mir würde es wirklich helfen, wenn Du mir vielleicht erzählen würdest, wie oft Du im Alltag, bewusst atmest, in der informellen Meditation. Natürlich nur, wenn Du möchtest!

    Mein Problem mit Achtsamkeit ist folgender: Ich habe gelernt, achtsam zu essen, achtsam zu spülen, achtsam zu gehen. Ich merke, wie gut es alles tut. Es tut wirklich sehr gut. Ich bin glücklich, denn ich schätze mittlerweile die Sachen wert, die früher für mich selbstverständlich waren. Ich gebe aber zu, dass ich in keinem der Übungen, einmal bewusst meinen Atem wahrnehme. Ich nehme meinen Atem nur dann wahr, wenn ich abdrifte. Ich atme dann bewusst um im hier und jetzt zu landen.

    Kurz gefasst, wolltest Du mir sicherlich sagen: Um 6 Uhr aufzustehen und bis 22 Uhr, immer bewusst zu atmen, kann nicht gesund sein?

    #9285
    InnererZeuge
    Participant

    Hey Kaffee,
    vielen Dank für Deine Antwort. Die Atem-Meditation übe ich täglich (30 Minuten am Morgen, Abends ab und zu in der Gruppe). Unter Tag nutze ich unterschiedliche Achtsamkeitsübungen. Überwiegend das bewusste Atmen (10-30 Sekunden), um inne zu halten. Bewusstes Gehen (Arbeitsweg) und Treppensteigen. Bewusstes Trinken und Essen. Bewusstes Sitzen in der S-Bah. Bewusstes Zuhören bei der Arbeit. Bewusste Langsamkeit bei all meinen Tätigkeiten, um mich nicht zu überfordern und mich nicht unnötig anpassen zu müssen. Durch das bewusste und achtsame Vorgehen schalte ich meinen Autopiloten aus und übernehme selbst meine Steuerung.

    LG, der Beho.

    #9289
    InnererZeuge
    Participant

    wie unachtsam von mir! Ich wollte sag: Hey Kaffee89 🙂

    #9303
    Kaffee89
    Participant

    Deine Achtsamkeitsübungen im Alltag, sprechen mich wirklich sehr an! Achtsames Zuhören, Achtsames Sitzen usw. Sind das Achtsamkeitseigenschaften, die Du dir selber angeeignet hast, oder gibt es dazu auch Fachliteratur? Ich möchte dich nicht zu bombardieren, denn wie du merkst, habe ich viele Fragen, da ich im Achtsamkeitsrang den Grünschnabel oder blutigen Anfänger einnehme. Das ist sicherlich nicht das letzte Buch, was ich über Achtsamkeit lese.

    Falls Du doch darauf antwortest, bin ich Dir dankbar 😉

    Und diesen Achtsamkeitsfehler verzeih ich Dir mal 😀 !

    #9311
    InnererZeuge
    Participant

    Hallo Kaffee89,
    ja, meine Finger tippen derzeit schneller als ich lesen und korrigieren kann. Ein schlechtes Zeichen bzw. der ideale Zeitpunkt für eine Meditation um mich wieder zusammensammeln zu können 🙂

    Nun zu den Büchern: seit über 30 Jahren sammle ich Bücher zum Thema Meditation. Wichtiger waren jedoch die Gespräche mit anderen Suchenden und Meditierenden. Dadurch habe ich immer gute Tipps zu Autoren, Bestsellern und Trends bekommen.

    Zum Thema Anfänger: das ist wunderbar und empfehlenswert, wenn Du stets ein Anfänger bleiben würdest. Anfänger habe noch keine Routine und achten auf alles ganz genau – so soll es sein.

    Shunryu Suzuki beschreibt dies in seinem Buch (und Hör-CD) “Zen-Geist Anfänger-Geist: Einführung in Zen-Meditation”.

    Ich freue mich auf Dein Feedback. Bis denn …

    LG, der Beho.

    #9338
    Kaffee89
    Participant

    Guten Morgen BeHo,

    hier melde ich mich mal wieder. Mein Achtsamkeitsguru hat mir gesagt, dass Marsha Linehan, die Gründerin der DBT, die meisten Achtsamkeitsübungen von Thích Nhất Hạnh übernommen hat. Ich werde mir mal erst die Achtsamkeitsbücher von Kabat Zinn durchlesen, bis ich mich dann aufmache zum Zen-Buddhismus.

    Ich will Dir erstmal danken! Ich habe mich die letzten Tage mehr auf meinen Atem konzentriert und meine Angst besiegen können: Dass, was hochkommt, sind höchstwahrscheinlich Wortgedanken. Es müssen Traumata sein, die ich nicht verarbeitet habe. Ich höre innerlich meinen Namen. Ich glaube, dass es mein Vater ist. Damit werde ich fertig 🙂 Ich kann mich nun immer mehr auf meinen Atem konzentrieren und merke, wie ich ruhiger und gelassener werde. Es hilft viel mehr, als sich nur auf die körperlichen Empfindungen zu beschränken.

    Beim Spülen nehme ich z.B. das war, was meine Hände im Wasser spüren. Wenn ich dies nun wie bei der Atem-Gang-Meditation mit meiner Atmung verbinde, werde ich nicht nur Glück spüren, sondern auch eine innere Ruhe.

    So, BeHo, ich sage jetzt erstmal, dass es das Finale ist, bevor ich mich irgendwann mal wieder melde bei Dir, weil du in puncto Achtsamkeit und Meditation erfahren bist:

    Thích Nhất Hạnh, scheint Achtsamkeit und Meditation nicht voneinander zu trennen. Kabat-Zinn sagt, dass es im Buddhismus mehrere Strömungen gibt und das jede Strömung andere Türen errichtet hat, die in den gleichen Raum führen. Wenn dies so ist, was kann ich von der formellen Meditation für meinen Alltag lernen?

    Meine formelle Meditation derzeit:

    – Tratak aus dem Yoga (unregelmäßig, ca 10 – 15 min.)
    – Bodyscan (regelmäßig, ca 30 – 45 min. )
    – Atemübungen (unregelmäßig – ca 5 – 10 min.)

    Ich sammle Erkenntnisse bei der formellen Meditation, doch ich merke, dass mir das Nichtbewerten immer noch schwer fällt. Es wird zunehmend einfacher, allerdings tu ich mich damit immer noch schwer. Mir ist aufgefallen, dass der BodyScan mir unheimlich hilft, meinen Körper ganz wahrzunehmen, da ich mich dann als neutraler Betrachter fühle und besser unterscheiden, statt urteilen oder verurteilen kann.

    Kannst Du mir da ein bisschen nachhelfen? Wie kann ich das, was ich bei der formellen Meditation lerne und ausübe, in meinen Alltag integrieren?

    Ich danke Dir vielmals 🙂

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