MeditationDer Tod meiner Frau war ein auslösendes Moment in meinem Leben.

Ich bin schon ein älteres Semester und unglückliche Umstände haben mir die fernöstliche Mediation nähergebracht. Ich möchte hier nicht auf die Tränendrüse drücken, aber der Tod meiner Ehefrau vor einigen Jahren hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Meine älteren Töchter und Enkelkinder waren und sind mir eine emotionale Stütze, jedoch haben alle Familie und leben weit von mir entfernt. Ich bin nach wie vor ein geselliger Mensch und lasse mich auch nicht hängen, aber die echten Freunde hatten auch Interesse daran, mich wieder ins Leben zurückholen. Frauen in meinem Bekanntenkreis haben mich auf das Meditieren aufmerksam gemacht. Gar nicht so einfach, sich plötzlich mit sich zu beschäftigen.

Mein Leben lang habe ich gearbeitet und Geld verdient und mich mit Aufgaben abgelenkt. Der Tod meiner Frau hat eine Lücke gelassen und ich habe damit begonnen, Dinge in meinem Leben zu hinterfragen. Auch, ob ich genügend für unsere Ehe / Familie getan habe. Finanziell sicherlich, aber emotional ist immer fraglich. Das Meditieren hat mich dazu gebracht, Gedanken zuzulassen und sie auch mal zu Ende zu denken. Ein befreiendes Moment, wenn kein Druck von außen Gedankengänge beendet. Ich meditiere sein dem Tod meiner Frau jeden Tag. Nicht lange, nie länger als eine halbe Stunde, aber diese Minuten geben mir nicht nur seelische, sondern interessanterweise auch körperliche Kraft, gut durch den Tag zu kommen.

 

Anfangs habe ich zusammen mit meinen weiblichen Bekannten meditiert

Komisch war es schon, inmitten von Frauen, die bereits seit Jahren meditieren, als Neuer und auch noch als Mann dazuzukommen. Viele Männer meines Alters lehnen Neues ja rigoros ab, ich habe es allerdings als eine Chance gesehen, meinem Leben wieder Sinn und Halt zu geben. Sicherlich war ich anfangs etwas gehemmt, vor allem die etwas lauteren Atemübungen waren mir peinlich. Doch bereits bei der ersten gemeinsamen Sitzung habe ich mich nach kurzer Zeit komplett auf das Geschehen eingelassen und festgestellt, niemand lacht, niemand übt Druck aus, sondern alle sind auf sich und ihre körperlichen Befindlichkeiten konzentriert, leisten gerne aber auch Hilfsstellung und Anleitung.

Anfangs ist es meines Erachtens wichtig, sich wohlzufühlen, bequeme Kleidung zu tragen und sich mit der richtigen Sitzhaltung auseinanderzusetzen. Schneidersitz ist nichts für mich, aber komplett ausgestreckt auf den Boden zu liegen, sich auf die Atmung zu konzentrieren und bei geschlossenen Augen die Gedanken kommen und gehen zu lassen, war und ist für mich eine Offenbarung, die ich um keinen Preis mehr missen möchte.

 

Jetzt meditiere ich selbstbewusst und souverän täglich alleine und oft im Freien

Bei schönem, trocken, aber gerne auch mal kaltem Wetter liege ich im Garten oder auf den Balkon und meditiere im Freien. Ich nehme mir eine Decke oder Liege und versuche die absolute Stille zu genießen. Jeder, der alleine lebt, weiß, wie schnell aus Alleinsein Einsamkeit entstehen kann. Das Meditieren hilft mir über einsame Momente hinweg und lässt zu, dass wie ein innerer Film die Gedanken Gestalt annehmen und schöne Erinnerungen plötzlich wieder ganz präsent werden. Ich genieße diese Momente unglaublich und habe mit dieser Form des Für-mich-seins im Meditieren einen imaginären Freund gefunden, der immer für mich da ist.

 

Es ist nie zu spät, sein Leben richtungsweisend zum Positiven hin zu ändern

Ich habe in meinem Leben gelernt, dass Alter zu keinem Zeitpunkt als Entschuldigung herhalten darf dafür, dass man sich Neuem verweigert und engstirnig, stur und verbittert sein Leben zu Ende lebt. Ich bin froh, dass mich mein weiblicher Bekanntenkreis aus meiner Lethargie herausgeholt hat und mir das Meditieren nicht nur nähergebracht worden ist, sondern dafür sorgte, dass es ein ebenso fester wie auch routinierter Bestandteil meines Alltags wurde.

Ich muss gestehen: Frauen sind einfach um ein Vielfaches besser darin, ihr Leben selbstbestimmt zu leben und sind grundsätzlich offener für Neues. Nach wie vor bin ich der einzige ältere Herr in unserem Freundes- und Bekanntenkreis, der meditiert, dazu steht und täglich aufs Neue dafür dankbar ist, nicht stur Neues abzulehnen.

 

Karl, 72 Jahre