Egal, welche der vielen verschiedenen Schulen für Yogis du bevorzugst- Yoga ist stets mehr als eine Aneinanderreihung körperlicher Übungen. Um wirklich von einer Yogastunde profitieren zu können, sollte auch eine bestimmte Geisteshaltung bzw. innere Einstellung kultiviert werden. In jedem Fall ist es wichtig, die Übungen achtsam durchzuführen. Neben der klassischen Sitzmeditation ist Yoga eine weitere hervorragende Gelegenheit, um die eigene Achtsamkeit zu schulen und kann aus diesem Grund treffend als „Meditation in Bewegung“ beschrieben werden.

Wenn du Yoga mit Achtsamkeit verbindest, schöpfst du die Kraft der uralten Übungen voll aus und profitierst auch nach der Yogastunde noch im Alltag von einer gelassenen und kreativen Haltung. Du entwickelst eine verfeinerte Körperwahrnehmung und eine größere Sensibilität für dein geistiges Erleben, was sich in vielen unterschiedlichen Lebensbereichen bezahlt macht. Nicht zuletzt bewirkt die regelmäßige Yogapraxis eine größere Vitalität und Lebensfreude und macht einfach Spaß.

 

Zurückfinden zu einer Einheit von Körper und Geist

Seit einigen Jahren gewinnt Yoga auch hierzulande immer mehr begeisterte Anhänger. Besonders Menschen, die berufsbedingt lange Zeiten sitzend verbringen und etwas gegen die Verkümmerung ihrer Muskeln tun wollen, finden in Yoga den idealen Ausgleich. Aber auch Menschen mit Schmerzen und/ oder chronischen Krankheiten ist diese Sportart zu empfehlen.

Die Bandbreite der Yogaschulen ist dabei äußerst groß, und es werden immer neue Formen dieser alten indischen Lehre entwickelt. Ob du dich eher entspannst oder mal wieder so richtig auspowern möchtest- von klassischem bis Power-Yoga ist alles im Angebot, und mit der Entscheidung für Yoga tust du deinem Körper in jedem Fall etwas Gutes.

In dem Maße, in dem Yoga deinen Körper positiv beeinflusst, wirkt die Achtsamkeit wohltuend für deinen Geist. Menschen, die regelmäßig Achtsamkeitsmeditationen durchführen, sind weniger gestresst und gehen Probleme des Lebens mit größerer Gelassenheit an. Auch ist bekannt, dass regelmäßige Meditation bestimmte autonome physiologische Funktionen des Körpers positiv beeinflusst. So führt sie beispielsweise zu einer langfristigen Senkung des Blutdrucks und verringert allgemein Erregungszustände und emotionale Überreiztheit.

Meditierende haben gelernt, aufmerksam auf ihre Körper zu hören und ein Wohl- oder Unwohlsein differenziert in allen Körperteilen wahrzunehmen.

Insofern können Yoga und Achtsamkeit als zwei unterschiedliche, aber komplementäre Wege zu demselben Ziel verstanden werden- einem weiseren Umgang mit dem eigenen Körper. Die Verbindung von Yoga und Achtsamkeit kann dabei helfen, die Trennung zwischen Körper und Geist, die in unserer Kultur weit verbreitet ist, zu überwinden und zu einem ganzheitlichen Erleben zu gelangen. Wer gelernt hat, auf seine Empfindungen, Gefühle und Gedanken während seiner Bewegungen zu achten, erwirbt gleichzeitig auch die Fähigkeit, im Alltag schneller wahrzunehmen, wenn unbewusste Emotionen, Gedanken oder Verhaltensmuster seine körperliche oder psychische Gesundheit beeinträchtigen.

Dass Yoga ohne Achtsamkeit eigentlich nur wenig Sinn hat, wird durch die Tatsache deutlich, dass es sich hierbei um Übungen handelt, die eine große Präzision erfordern. Dein Yogalehrer wird dir dabei helfen, an der Exaktheit deiner Haltung zu feilen und zu diesem Zweck immer wieder einmal die Position deiner Körperteile korrigieren.

Ein achtsames Gewahrsein hilft dir dabei, deine Haltung selbst während der Übungen immer wieder zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen. Auf diese Weise erreichst du eine größere Genauigkeit und werden mehr Erfolgserlebnisse haben.

Langfristig werden durch achtsames Yoga zwei Fähigkeiten geschult, nämlich die körperliche Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer und die geistige Spannkraft.

 

Yoga ist die wohl populärste Meditationsform.
Yoga ist die wohl populärste Meditationsform.

Abkehr vom Leistungsdenken

Auch wenn manche der klassischen Yogaübungen überaus kunstvoll und beinahe schon schmerzhaft aussehen, geht es bei dieser Sportart nie darum, irgendein Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Leistung zu erbringen. Auch der Gedanke der Konkurrenz zwischen den Übenden ist den Yogis fremd. Wenn du dich für Yoga entscheidest, solltest du daher den Leistungsgedanken, der bei uns eng mit den meisten Sportarten verknüpft ist, aufgeben und sich auch nicht mehr darum sorgen, wie du bei einer bestimmten Übung aussiehst.

Yoga praktizierst du nicht für die anderen, sondern für dich selbst. Die Übungen sind ein hervorragendes Mittel, um seinen Körper neu zu erfahren und innere Freiheit zu erlangen, und wenn dabei irgendwann auch eine kunstvolle Verknotung verschiedener Körperteile gelingt, so ist dies ein schöner Nebeneffekt, aber kein Selbstzweck.

Gleiches lehrt die Achtsamkeitslehre, die ebenfalls kein Ziel verfolgt außer dem, einfach im gegenwärtigen Moment alles achtsam wahrzunehmen. Beim achtsamen Yoga geht es also darum, alle Übungen besonders bewusst auszuführen und dabei gleichzeitig immer mit einem Ohr in den eigenen Körper hineinzuhören. Die innere Haltung sollte dabei offen und unvoreingenommen sein, und es sollte nicht zwischen angenehmen und unangenehmen Empfindungen unterschieden werden. Deine Aufgabe ist es, alle Gefühle wahrzunehmen, die auftauchen, und ebenso alle Gedanken zu registrieren, die dir durch den Kopf gehen. Versuche, eine wohlwollende und interessierte Aufmerksamkeit zu kultivieren, die unangenehme Erfahrungen nicht bewertet, sondern einfach neutral zur Kenntnis nimmt.

Falls du also bei einer Übung Verspanntheit oder gar Schmerzen wahrnimmst, solltest du diese wohlwollend in deine Aufmerksamkeit einschließen und behutsam mit deinem Körper umgehen, um ihn nicht zu überlasten. Gleiches gilt, wenn eine Bewegungsfolge einmal nicht so klappt wie gewünscht. Registriere einfach deinen aufsteigenden Unmut oder Zorn und probiere es mit einer gelassenen Haltung noch einmal.

Gerade für Menschen mit chronischen Schmerzen oder Einschränkungen im Bewegungsapparat ist achtsames Yoga ideal, da sie hier ohne Druck ausprobieren können, was ihnen gut tut und dabei bewusst die Grenzen zu akzeptieren lernen, die ihnen ihr Körper aufzeigt. Um diese Grenzen überhaupt wahrnehmen zu können, ist es aber nötig, die eigene Achtsamkeit bereits geschult zu haben. Wenn du weißt, dass du in deiner Beweglichkeit aus medizinischen Gründen eingeschränkt ist, so nimmst du dir besonders viel Zeit, jede kleinste Veränderung in deinem Empfinden der einzelnen Körperteile zu registrieren und seine Entwicklung zu beobachten. Auf diese Weise kannst du dich ganz langsam an die Grenzen deiner Leistungsfähigkeit herantasten und bekommst ganz nebenbei langsam ein immer besseres Gespür für deinen Körper, das sich auch im Alltag bezahlt macht.

 

Abschweifen der Gedanken

Zu einem achtsamen Yoga gehört auch, mit den Gedanken stets bei der aktuellen Aufgabe zu bleiben. Gerade in den ersten Stunden eines Yogakurses fällt es den Anfängern meist nicht schwer, ihre Gedanken ganz den Übungen zu widmen. Schließlich sind diese neu und stellen eine Herausforderung dar, die ganz von selbst die Aufmerksamkeit der angehenden Yogis auf sich zieht.

Mit der Zeit wirst du jedoch feststellen, dass dir die Übungen zunehmend vertraut werden und sich eine gewisse Routine einschleicht. Achtsam Yoga zu praktizieren bedeutet aber gerade, der Automatisierung von Bewegungsabläufen entgegen zu wirken und jede Bewegung und Gewichtsverlagerung ganz bewusst auszuführen. Falls du also bemerkst, wie deine Gedanken in die Vergangenheit oder Zukunft abschweifen, beobachte dies und lenken deine Aufmerksamkeit immer wieder sanft zu deinem Körper zurück.

Sei dabei nachsichtig mit dir selbst- wie bei den Übungen selbst geht es bei der aufmerksamen Haltung nicht darum, „alles richtig“ zu machen, sondern einfach die eigene Meditationserfahrung zu erweitern. Auch geübten Yogis fällt es nicht immer leicht, sich ganz dem gegenwärtigen Moment zu widmen, und das Abschweifen der Gedanken ist ganz normal.

Verurteile dich daher niemals für Ihre Unaufmerksamkeit, sondern gratuliere dir im Gegenteil jedes Mal dafür, dass du das Abschweifen bemerkt hast und zu deiner Aufgabe zurückgekehrt bist. Es gilt die Regel: Wenn du dich während einer Yogaeinheit hundert Mal in deinen Gedanken verlierst, obwohl du deinen Körperempfindungen nachspüren solltest, so kehrst du einfach hundert Mal zum Körper zurück. Jedes Wahrnehmen der Tatsache, dass dein Geist sich gerade lieber mit etwas anderem beschäftigen würde, ist ein kleiner Erfolg auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Achtsamkeit.

Bedenke dabei, dass völlige Gedankenfreiheit nicht unbedingt das Ziel der Meditation bzw. des achtsamen Yogas sein muss. Auch Menschen, die seit vielen Jahren oder Jahrzehnten täglich meditieren, berichten, keine Kontrolle über ihre Gedanken zu haben. Dies ist aber auch gar nicht nötig, da es bei der Achtsamkeit viel eher um die Haltung geht, mit der wir unsere Gedanken beobachten. Diese sollte geprägt sein von Wohlwollen und Interesse, auch für schwierige Inhalte, und einer wertfreien Einstellung gegenüber allem, was in unserem Geist an die Oberfläche kommt. Auf diese Weise gewinnen wir die Freiheit, zu entscheiden, ob wir einen Gedanken weiter verfolgen oder uns wieder dem Atem und unseren körperlichen Empfindungen zuwenden wollen.

 

Lassen Sie Gedanken wie Wolken vorüberziehen.
Lassen Sie Gedanken wie Wolken vorüberziehen.

Achtsames Yoga als Heilmittel für Körper und Geist

Ende der Siebzigerjahre bemerkten amerikanische Psychologen die ähnliche Zielsetzung von Hatha-Yoga und buddhistischer Achtsamkeit, was sie auf die Idee brachte, die Vorzüge dieser beiden uralten Praktiken miteinander zu verbinden. Ihr Ziel war es, auf diese Weise die heilende Wirkung von Yoga und Achtsamkeit zu kombinieren und ihren Patienten so zu einer Linderung ihrer körperlichen und seelischen Probleme zu verhelfen. Die Teilnehmer ihres Programms sollten im achtsamen Yoga ein konkretes Mitgefühl mit dem Selbst entwickeln und zu einer persönlichen Weisheit finden. Dies sollte sie dazu befähigen, allen Widrigkeiten und Herausforderungen des Lebens mit Offenheit, Klarheit und Geistesgegenwärtigkeit zu begegnen und auf diese Weise zu mehr Gelassenheit zu gelangen.

Als Namen für Ihr Programm wählten sie MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction, zu Deutsch: Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion). Neben Übungen zur Sitz- und Gehmeditation zählen hier Yogaübungen zu den Kerninhalten, denen eine große Wirkung zugeschrieben wird. Um die Vorzüge dieses Programms in ihrer Gesamtheit kennen zu lernen, solltest du die meditativen Übungen über viele Wochen hinweg durchführen. Im Idealfall solltest du die achtsamen Yogaübungen zu einem festen Bestandteil deines Lebens machen, um die erzielten Effekte aufrecht zu erhalten. Viele Menschen haben es sich zum Beispiel zur Gewohnheit gemacht, morgens vor der Arbeit einige Yogaübungen mit fokussiertem Bewusstsein durchzuführen, um besser in den Tag zu starten und den auftauchenden Schwierigkeiten mit größerer Gelassenheit zu begegnen.

Mittlerweile wird MBSR weltweit in vielen Kliniken und anderen Einrichtungen der psychosozialen Versorgung angeboten. Die Wirksamkeit des Programms ist gut dokumentiert und wurde in zahlreichen Studien bestätigt. Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion ist geeignet, alle möglichen Arten von psychosomatischen Leiden zu lindern. Besonders bewährt hat sich das Programm bei chronischen Schmerzerkrankungen, Ängsten, Depressionen und Panikattacken. Aber auch Patienten mit häufigen Infektionskrankheiten, Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Hauterkrankungen berichten immer wieder von erstaunlichen Effekten. Schließlich kommt MBSR immer häufiger auch beim sogenannten Burn Out-Syndrom zum Einsatz.

Belegt ist außerdem ein positiver Effekt der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion bei Patienten mit einer chronischen Erkrankung. Eine solche beeinträchtigt die Lebensqualität oft erheblich und stellt eine große psychische Belastung dar. Studien haben gezeigt, dass MBSR das psychische Leid chronisch Kranker lindern kann und zu einem besseren Umgang mit der eigenen Erkrankung beiträgt. Auch kann die Kombination aus achtsamen Yogaübungen und Meditationen Begleitsymptome wie depressive Verstimmung, Ängste und subjektiv erlebten Stress lindern. Aus diesem Grund wird MBSR mittlerweile häufig auch in den verschiedenen Psychotherapieverfahren eingesetzt.