Rache schmeckt süß. Der Nachgeschmack wirkt jedoch lange und bitter. Getreu dem Motto: „Vergeltung statt Verzeihen“, scheint das Negative erstrebenswert. Verzeihen ist eine der schwierigsten Übungen für das menschliche Ego. Es wird immer Menschen geben, welche dem Unguten nacheifern und so die Harmonie in der Welt beeinträchtigen.

„Das werde ich dir nie verzeihen“, ist ein Satz, der nur allzu häufig über unsere Lippen dringt. Gerade ausgesprochen, schaltet sich unser Unterbewusstsein ein und speichert dieses Vorhaben. Es vergisst nichts. Der Satz sitzt tief und wartet nur auf die Umsetzung. Es sei denn, wir lösen ihn durch entsprechende Handlungen auf. Das ist keine Zauberei, vielmehr stellen wir uns den schädlichen Gedankenschleifen. Nicht selten finden wir dabei den Gegner in uns selbst.

 

„Verzeihen ist die beste Rache!“

Zugegeben: Kränkungen und erlittene Verletzungen sitzen tief. Sie nagen an uns, schüren Rachegelüste und Hass. Und wenn wir ehrlich sind, entwickeln wir gar nicht so selten Rachefantasien. Da ist der intrigante Kollege, dem man heimlich ein Abführmittel in den Kaffee gießen möchte. Oder der tyrannische Chef, dem man alles erdenklich
Schlechte wünscht, weil man sich ungerecht behandelt fühlt. Was viele dabei vergessen: Diese aufkommenden aggressiven Gefühle machen uns letztendlich krank, vor allem dann, wenn wir in ihnen verharren.

„Wenn du trübes Wasser zur Ruhe kommen lässt, wird es klar.
Wenn du deinen aufgeregten Geist zur Ruhe kommen lässt, wird deine Verhaltensweise ebenfalls klar.“ So beschrieb Buddha die Wirkung der Meditation bei aufkommenden Störgefühlen.

Verzeihen funktioniert nicht auf Knopfdruck. Mit Wut, Hass und Abneigung fällt es schwer, eine meditative Haltung einzunehmen. Widme dich zunächst einigen Übungen und schau, was mit deinen Gefühlen passiert.

 

1.) Benenne deine Gefühle und nimm die Haltung des inneren Beobachters ein!

Deine erste Übung ist quasi ein kleiner „Trick“ mit dem du entscheidenden Handlungsspielraum gewinnst. Indem du deinen inneren Beobachter aktivierst, verhinderst du, dass deine Gefühle dich beherrschen oder aus dem Ruder laufen. Du kannst dir anschauen, was in dir passiert, und du kannst entscheiden, ob und wie du dieses Gefühl ausdrücken möchtest. Diese Methode ist wesentlich effektiver, als mit deinem Ärger blind zu agieren. Benenne das Gefühl. Zum Beispiel: „Das ist Ärger.“ Durch das Benennen unterstützt du den Fokus der Beobachtung.

 

2.) Lerne freundlicher mit dir umzugehen. Verzeihe dir und wirf Ballast ab!

Schau in den Spiegel. Je genauer du alles erkennst, umso deutlicher nimmst du wahr:

  • Was ist dir widerfahren?
  • Was hat es mit dir zu tun?
  • Warum fühlst du dich verletzt?
  • Welche deiner Erwartungen hatten eine Enttäuschung zur Folge?

Wenn du offen auf dich selbst schaust, dich beobachtest und hinterfragst, erkennst du, was dich am Verzeihen hindert. Du erfährst viel mehr über dich und lernst dich liebevoll anzunehmen. Nicht immer sind es die anderen Menschen, welche den Hass in uns hervorrufen. Möglicherweise ärgerst du dich über einen Fehler, den du dir selbst nicht verzeihen kannst.

 

3.) Erkenne, was du denkst!

Bei dieser Übung gewinnst du Kontrolle über Gedankeninhalte und Denkprozesse. In den unterschiedlichsten Alltagssituationen fragst du dich, was du gerade denkst. Etwa beim Autofahren, in der S-Bahn, im Supermarkt an der Kasse oder beim Fernsehen. Versuche das jeden Tag, so oft wie möglich. Dabei stellst du fest, dass du in jedem Moment denkst. Unbewusst begleiten dich immer irgendwelche Gedanken.

Wenn dir bewusst wird, dass du eigentlich permanent denkst, dann ist das der erste große Schritt, um Kontrolle über das Denken zu gewinnen. Damit legst du einen wunderbaren Grundstein, um deinen Mitmenschen offener und toleranter zu begegnen. Du bist nicht mehr Opfer deiner Gedanken und damit auch nicht der daraus resultierenden Gefühle. Du entscheidest, was du in deine Gedankenwelt hineinlässt und was du vorüberziehen lässt.

Noch zwei Gedankenstützen:

  • Verzeihen ist ein Prozess des Loslassens.
  • Wer nicht vergeben kann, verharrt in einer Endlosschleife. Unbewusst hält man den Schmerz am Leben, welchen man bereits erfahren hat. Das ist weder sinnvoll noch nützlich.

 

Unser Leben ist eine ständige Abfolge von verschiedenen Zuständen und Gefühlen. Nichts ist bleibend, nicht ist unbeweglich.Milidapana

 

Lerne, zu verzeihen! Deine Meditation:

Wähle eine bequeme Sitzposition. Schließe die Augen und atme ganz natürlich. Richte deine Aufmerksamkeit sanft und entspannt auf deine Atmung.
Wie beim Benennen der Gedanken (siehe deine erste Übung) beobachtest du nun, welche Gedanken in dir auftauchen. Spüre, welches Gefühl du damit verbindest. Ist es Freude, Ärger, Aufregung, Angst oder Traurigkeit? Analysiere die Gefühlsregungen nicht und halte nicht an ihnen fest. Benenne sie, und gehe mit deiner Konzentration immer wieder zum Atem zurück.

Beobachte, ob sich deine Gefühle verändern. Ändere nichts daran, sondern lasse sie da, wo sie sind. Es gibt keine guten und schlechten Gefühle. Du befindest dich in der Position des Beobachters und sagst liebevoll und wohlwollend Ja zu allem, was ist. Bleibe dabei ruhig und gelassen. Deine Meditation beendest du mit bewussten und tiefen Atemzügen.

Widme dieser Meditation täglich 15 Minuten Zeit. Anschließend vermerkst du in einem Tagebuch, welche Gefühle da waren und wie es dir mit dem Beobachten erging.

Ein Kommentar

  1. Hallo Oliver,

    danke für deinen wunderbaren Artikel!
    Ich stimme dir absolut zu dass Verzeihen die beste Rache ist.
    Wenn mich jemand kränkt oder ich mich unangemessen behandelt fühle, dann stelle ich mir immer folgende Frage: Ändert das etwas an meinem innersten Kern? – Immer lautet die Antwort dann nein.
    Dann beruhige ich mich in der Regel schnell und kann die Situation weniger emotional betrachten.

    Deinen Tipp auch sich selbst zu verzeihen finde ich sehr gut.
    Niemand ist so perfekt dass er nicht manchmal jemand anderem etwas Schlimmes wünscht. Manchmal ist es ein Reflex der in einer sehr emotionalen Situation entstanden ist. Früher hatte ich dann immer ein enorm schlechtes Gewissen wie ich so etwas nur denken konnte…
    Da finde ich deinen Rat mit der Beobachterrolle sehr hilfreich. Sie macht einem bewusst dass man sich nicht mit seinen Gedanken identifizieren muss.

    Irgendwo hab ich mal ein Zitat gelesen, das hatte ungefähr den Sinngehalt: Erst wer ein Meister im Verzeihen ist, kann wirklich im Moment leben.

    Wenn man aufhört anderen oder sich selbst Schuld zuzuschieben und, wie du schreibst in Endlosschleifen zu verharren, kann man seine Energie voll in den Moment konzentrieren.

    Und das fühlt sich einfach unglaublich gut an.

    Ich danke dir für die Inspiration!

    Liebe Grüße
    Stefan